Swinger-Partys schräg und inspirierend zugleich

Zum ersten Mal auf einer Swinger-Party könnte man den Eindruck gewinnen, dass dort ziemlich viele durchschnittliche Menschen, die nicht dem medialen Ideal entsprechen, wahllos, stillos und eher ab- als anturnend rumvögeln. Es gibt zahlreiche Artikel und Einträge, in denen sich Erstbesucher eines Swingerclubs darüber auslassen, dass Hinz und Kunz sich dort zum Vögeln treffen. Manche finden es abstoßend und ekelhaft. Kann man finden, muss man aber nicht.

Auf der besagten Swinger-Party, auf der ich mit meinem Date war, gab es nur einen Raum der mit Matratzen ausgestattet war. Ein ziemlich großer Raum auf dem Balkon, in dem sich etwa 10 aufblasbare Matratzen auf den ganzen Raum verteilt befanden. Es verteilte sich gut, man konnte aber trotzdem den ganzen Raum überblicken. Vom Balkon konnte man auf die Tanzfläche des Partyraums gucken. Es war jemand abgestellt, dessen Job es war, nach jedem Akt den Matratzen neue Laken zu verpassen.

Im Laufe der Party wollte ich ein wenig gucken gehen. Ich saß an der Wand auf einem Stuhl und konnte so ein wenig von oben dem Treiben zusehen. Es waren fast alle Matten belegt. Zusätzlich standen bestimmt noch zehn Paare an der Brüstung des Balkons. Es gab Zweier, Dreier, Vierer und Fünfer-Konstellationen, alles war mit dabei.

Wenn man die Bilder des eigenen Standard-Pornokonsums im Kopf hat, dann wirkt das alles erst mal sehr ernüchternd. Quasi niemand hat so einen Body wie eine der Porno-Darstellerinnen. Alle sehen unperfekt aus. Und ein erster Gedanke der einen durchzuckt ist schon: „Warum treiben die das dann so öffentlich?…. Huch, omg, die oder der ist aber dick… Die Alten rammeln auch, boah, da hängt ja schon alles.“ Und dann ist man im Kopf relativ schnell bei Fat-Shaming und Altersdiskriminierenden-Gedanken

Um jetzt auch noch das letzte Klischee aus meinem Kopf auszupacken: Manche Partyteilnehmer wirkten eher wie Mitglieder des örtlichen Dackelzüchter – oder Kleingärtner-Vereins. (Nicht auszuschließen, dass der ein oder andere tatsächlich auch noch diesen Hobbys nachgeht.) Außerdem waren wir ja mitten in der Provinz auf einer Party. Da ist nun mal auch anderes Klientel, als in der Stadt. Aber ich reflektierte meine ersten Impulsgedanken.

Jeder egal wie alte, dicke oder dünne Partyteilnehmer hat die Berechtigung sich dort auszuleben, ob das nun meinem Geschmack entspricht oder nicht. Ja, da waren einige Menschen, die nicht meiner Vorstellung von Stilvoll oder vorteilhaft angezogen entsprachen. Aber in diesem geschützten Rahmen, der extra dafür geschaffen worden ist, sollen sie Sex haben, soviel sie möchten. Wenn es mir nicht gefällt, dann bin ich dort verkehrt, nicht die. Warum sollten nur perfekt aussehende attraktive Menschen öffentlich vögeln dürfen. Niemand sieht aus wie im Hochglanz-Porno. Wenn Paare darauf stehen sich beim Sex zu zweit zusehen zu lassen, aber niemand anderen brauchen, dann sollen sich den Kick holen. Auch wenn ich dann mit den Augen rolle und mir denke: Jaja, performt ihr nur. Wenn die anderen zu dritt, viert oder fünft vögeln wollen – bitte.

Nur weil ich es attraktiver finde, wenn man noch ein wenig Klamotten anbehält, können sich die anderen trotzdem ganz nackt ausziehen und wild durcheinander vögeln, weil sie darauf stehen. Nur weil für mich Erotik mehr über den Kopf und Intelligenz funktioniert, können andere trotzdem einfach auf einen Riesenschwanz abfahren. Die Freiheit besteht darin, dass sich jeder ausleben kann, so wie es für ihn passt. Ich werde darüber nicht urteilen, sondern akzeptieren, dass jede Sexualität individuell ist. Ich freue mich darüber, dass es Möglichkeiten gibt sich auszuleben. Auch wenn ich so manches Geschlecke, Gefingere oder Gestöhne nicht geil finde.

Manche Konstellation mag für mich wahllos aussehen. „Die reißen sich da wild durcheinander einfach auf, ohne viel miteinander gesprochen zu haben.“ So wirkt es manchmal auf mich. Dabei weiß ich gar nicht, ob die sich nicht schon länger kennen und sich auf vielen Partys begegnet sind und gar nicht viel quatschen müssen.

Je länger ich da saß, desto inspirierender fand ich, dass sich die meisten nicht so viele Gedanken machten, sondern sich ihrer Lust hingaben. Dass die Menschen einfach so unperfekt sind. Dass sich mein medialgeprägtes Körper-Bild, dass mich oft auch sehr kritisch mit mir selbst umgehen lässt, dann relativiert, wenn ich merke, dass niemand so gut aussieht wie die Profi-Pornodarsteller oder Models. Dass es Falten gibt, Speckröllchen, Penisse und Muschis in allen Formen und Farben. Dass sich ältere Paare um die 60 eben nicht vom Alter abhalten lassen, sondern rausgehen und sich amüsieren. Sex im Alter, auch so was totgeschwiegenes.

Trotz dem Soloherren auf dieser Party dasselbe zahlen wie Frauen, waren erstaunlich wenig Wichser auf der Party. Es standen nicht so viele Gaffer und Wichser dreist herum, wie sonst im Swingerclub. Das war angenehm. Ich hatte nicht das Gefühl, dass die Menschen auf den Matratzen auch nur irgendjemand abwimmeln mussten.

Aber auch ich hatte auf der Party meine Berechtigung. Sexy angezogen, zusehend, aber nicht zu haben.

Mir war von vornherein klar, dass wenn ich meinen Begleiter nicht sofort so attraktiv finden würde, dass ich Sex mit ihm haben wollte, dann würde an diesem Abend nichts laufen. Wobei dieser eine große öffentliche Raum ohne Rückzugsmöglichkeiten für mich momentan noch nichts ist. Ich merke selbst, dass ich immer lockerer werde, was sowas angeht, deshalb schließe ich nicht aus, dass sich das irgendwann noch ändert. Aber jemanden neu auf einer Party kennenlernen und die Chemie stimmt gleich – Sehr schwierig. Bisher hat das nur einmal geklappt, sonst hatte ich immer nur mit schon bekannten Menschen Sex im Club (außer wenn ich mit meinem Dom unterwegs war.)

Ich genoss es zuzusehen, in meinen sexy Klamotten zu tanzen und mich ein bißchen angucken zu lassen. Außerdem war meine Neugierde, wie solche Partys wohl sind, befriedigt worden. Für den Preis muss ich so schnell aber auf keine mehr.

4 Gedanken zu „Swinger-Partys schräg und inspirierend zugleich

  1. Vielen Dank für den interessanten Eintrag. Ich lausche deinen Zeilen schon gute 2 Jahre, und nun hast Du es untermauert. Bislang habe ich meine Einstellung, gewisse Dinge zu probieren, unterdrückt. Aber dein jetziger Comment hntermauern meine Einstellung der Individualität. Wenn auch noch mühseelig, aber jeder sucht das was ihm lieb ist. Danke

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