Geghosted

Ich sitze gerade bei Freunden auf der Couch, bin mal wieder in den Norden gefahren. So wie letztes Jahr um die Faschingszeit auch. Mit dem Unterschied, dass ich letztes Jahr Tom noch getroffen habe. Eintrag hier nach lesbar. Wir hatten unter dem Jahr mal noch losen Kontakt. Direkt nach dem letzten Treffen war es mehr Kontakt , dann übers Jahr verteilt, war es weniger geworden. Ich war letztes Jahr nur zu Fasching in den Norden gefahren. Also gab es auch keine weitere Gelegenheit für ein Treffen. Das letzte Mal hatten wir im August mit einander geschrieben. Wir hatten quasi gemeinsam per WhatsApp miteinander masturbiert. Es hat sich nichts daran geändert, dass ich finde dass er ein wirklich toller Mann und Mensch ist, der sowas von genau mein Beuteschema wäre. Ich habe mir eigentlich nicht viel dabei gedacht, dass wir seit August keinen Kontakt hatten. Es gab immer mal wieder Phasen in denen wir nicht geschrieben hatten. Nur dass wir uns keine Neujahrgrüße geschrieben haben war anders.

Ich schrieb ihm also in der Woche bevor ich hierher gefahren bin per WhatsApp, dass ich kommen würde und auch hoffe, dass es ein Wiedersehen zwischen uns gibt. Schickte die Nachricht ab. Ich merkte dann zwei Tage später, dass die Nachricht nur einen Haken hatte. Hmm, hatte er mich auf WhatsApp blockiert? Jetzt wurde ich doch stutzig. Lass nochmal unsere letzten Chats durch, ob ich was verpasst hatte. Er hatte mich vor unserem letzten Treffen schon mal aus seinen Kontakten gelöscht, dass aber dann wieder zurückgenommen. Dieses Mal war mir nicht bewußt, dass ich irgendetwas vorgefallen war. Hmm, sehr seltsam. Ich dachte eigentlich, dass unser loser Kontakt für uns beide okay war. Für einen kurzen Moment machte ich mir Sorgen, dass ihm was passiert sein könnte und fing an seinen Namen zu googeln. Da er doch das ein oder andere Ehrenamt macht, würde ich damit zumindest nachlesen können, ob bei ihm alles okay ist. Und ich musste erstmal wirklich hart nachdenken, wie er denn eigentlich mit ganzem Namen heißt. Als es mir wieder einfiel, googelte ich ihn und es schien alles okay mit ihm zu sein. Hieß aber, dass er mich auf WhatsApp wohl blockiert haben musste. Der Gedanke traf mich ehrlicherweise schon ein wenig.

Ich überlegte lange hin und her, ob ich es damit nun bewenden lassen wollte. Sollte ich einfach akzeptieren, dass er mich aus seinem Leben gelöscht hatte – Ghosting at its best? Wir eigentlich immer nur per WhatsApp kommuniziert. Anrufen ist wohl eher heikel bei ihm. Ich habe mich immer an unsere vereinbarte Form der Kommunikation gehalten. Er hatte eben nicht wie Mr. Bondage eine offene Beziehung, sondern hatte das immer heimlich getan. Das nahm in seinem Leben mal mehr und mal weniger Platz ein.

Das ganze geisterte mir ein paar Tage im Kopf umher. Ich merkte, dass ich so ein Ende nur schwerlich akzeptieren konnte. Also entschloss ich mich, ihn anzurufen. Wählte eine Zeit in der ich mutmaßte, dass er sicher in der Arbeit sein würde. Wählte die Nummer, die ich von ihm abgespeichert hatte. Ich hatte mir eigentlich keine Gedanken gemacht, was ich zu ihm sagen wollte. Es klingelte ganz normal. Ein gutes Zeichen. Er schien zumindest seine Nummer behalten zu haben. Immerhin. Es klingelte wenige mal, dann ging er ran und sagte seinen Nachnamen. Ich war sehr perplex im ersten Moment. Keine Ahnung, was ich erwartet hatte. Aber es klang so, also wußte er nicht mit dem Blick auf sein Display wer ihn gerade anruft. Äh hallo Remi hier. (Ich nannte meinen vollen Namen) und überlegte, ob er dann gleich wissen würde wer ich bin. Die Erkenntnis, dass er wohl meine Nummer ganz gelöscht hat, hatte mich so aus dem Konzept gebracht, dass ich eigentlich gar nicht wusste, was ich sagen wollte. Ich erzählte ihm dann einfach, dass ich von Freitag bis Montag in seiner Gegend sein würde und fragte ihn, ob er denn auch da sei und Zeit haben würde. Er klang mindestens genauso unbeholfen und überrascht wie ich und erzählte was von „Nicht da“ und „Zeit mit der Familie“.

Ein schräges Gespräch, in dem wir beide überrumpelt aber sehr höflich zu einander waren. In dem wir aber auch beide die Wahrheiten nicht angesprochen haben. Ich habe nicht gefragt, ob er keinen Kontakt mehr haben will und mich deswegen gelöscht hat. Er hat mir nicht gesagt, dass er mich nicht wiedersehen will, sondern nur dass es gerade schlecht ist. Ein sehr unbefriedigendes Ende. Während ich hier bin (noch bis morgen) hatte ich gehofft, dass er vielleicht auf die Idee kommt, mich doch nochmal wiedersehen zu wollen. Er ußte, wo ich zu finden bin. Er hatte nach dem Anruf auch sicher meine Nummer. Hätte sich einfach melden können. Ein weiteres Mal Nachhaken meinerseits  geht nicht, dann käme es mir vor wie nachlaufen. Bei den WhatsApps bin ich weiterhin blockiert.

Jetzt sitze ich hier. Ich hatte trotz allem eine tolle Zeit. Ich bin bei Freunden. Ich komme ja auch nicht seinetwegen her, sondern um sie zu besuchen. Er wäre nur das Zuckerl gewesen. Der letzte Abend bricht an. Wehmut macht sich breit. Ob er nicht kann, oder nicht will, weiß ich nicht. Zweiteres ist wahrscheinlicher. Es scheint als endet hier unsere gemeinsame Geschichte. Sehr schade. Er hat mir doch auch viel gegeben an Selbstbewußtsein, an schönen unvergesslichen Momenten. Auch an Liebeskummer, an Gefühlsachterbahnfahrten. An Verbundenheit zu Bremen.

Sollte er irgendwann wieder auftauchen, wäre ich nicht nachtragend, sondern würde mich einfach freuen. Aber es fühlt sich nach Ende an. Irgendwie so entgültig. So schade. So überflüssig. Bye bye Tom. Hab ein gutes und erfülltes Leben. Und hoffentlich ein paar Blowjobs, die so gut sind wie meine 🙂

8 Gedanken zu „Geghosted

  1. Schade, daß die Sache so ausgegangen ist. Ich hätte mir etwas erfreulicheres gewünscht.
    Aber die Story ist wie immer gut erzählt. Danke dafür liebe Remi.

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  2. Ich finde Ghosting ist eine Sauerei. Man kann sich ja zumindest verabschieden, das kostet nicht viel und erklären sollte man sich dem anderen gegenüber ja auch. Für mich sieht respektvoller Umgang anders aus.

    That being said: manche Dinge enden eben irgendwann einmal. Eventuell ist es so sogar besser. Ich zumindest habe in dem was Du über dich und ihn geschrieben hast immer eine Zerrissenheit wahrgenommen, was auf Dauer einfach nicht gut ist. Plus: andere Väter haben auch noch tolle Söhne 😉

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  3. Mein Auge stolpert bei dieser Überschrift… GEGHOSTED… da drängt sich immer der HOST in den Vordergrund. Menschliche Wahrnehmung ist schon was komisches.
    So wie das Wahrnehmen und Wahrhaben, das etwas noch eben lockeres im Sande verläuft. Da passen offenbar die Lebensentwürfe nicht mehr zusammen und keiner hat den Mut es offen auszusprechen. Ein einfaches ausklammern aus dem Leben ist scheinbar einfacher als ein offenes Wort. Vor allem lässt es ein Hintertürchen offen, so klein der Spalt auch sein mag. Bewerten muss das nun jeder für sich.

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  4. Abgesehen davon, dass die Entwicklung nicht sehr schön ist, hab ich mich ein bißchen an der Begrifflichkeit festgebissen und frage mich, ob das hier wirklich „Ghosting“ ist. Das liegt m.E. eher dann vor, wenn jemand von jetzt auf gleich aus dem vollen Kontakt heraus komplett untertaucht und nicht mehr erreichbar ist. Das würde u.a. auch ein grundsätzliches Sperren der Telefonnummer voraussetzen, nicht „nur“ bei Whatsapp. In diesem Fall war deine Nummer nicht gesperrt (es sei denn, du hast anonym angerufen), denn du konntest ihn ja erreichen und er hat mit dir gesprochen. Ich denke, es ist in diesem Fall nur so, dass er den Kontakt einfach nicht mehr weiter verfolgen und ihn langsam ausschleichen wollte, aus welchen Gründen auch immer. Klar, wie eingangs erwähnt, im Endeffekt ist es latte, welche Begrifflichkeit sein Verhalten am besten beschreibt. Aber ich glaube wirklich, er hat sich einfach nur auf „normalem“ Weg von dir entfernt ohne besondere Vorkehrungen zu treffen, für dich tatsächlich nicht mehr erreichbar zu sein. Und da liegt m.E. tatsächlich der Unterschied zum echten Ghosting.

    Vielleicht hilft es dir ja, das von dieser Position aus zu betrachten, das Einschlafen eines Kontaktes ist – finde ich – weniger „dramabehaftet“ als ein echtes Ghosting.

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