Wann hören Paare auf miteinander zu reden?

Vorneweg, ich hoffe nie und das gilt mit Sicherheit auch nicht für alle Paare. Ich schreibe hier Gedanken auf die mir im Laufe der letzten drei Jahre gekommen sind.

Ich habe in den letzten Jahren geschätzt 100 Männer gedatet (keine Sorge, da kam es bei Weitem nicht immer zu Sex). Dieser Umstand hat dafür gesorgt, dass ich mich mit vielen Männern recht offen über ihre Beziehungen unterhalten konnte. Ich nehme an, die meisten waren dabei relativ ehrlich. Es gab ja auch keinen Grund mich anzulügen, denn sie wollten ja keine Beziehung mit mir. Meistens wußten sie, dass es mir nichts ausmacht, wenn sie eine Partnerin haben. Sondern dass allein sie selbst das mit ihrem eigenen Gewissen ausmachen müssen. Ich hatte den Eindruck, dass sie oft auch froh waren, dass sie mal jemandem offen ihre Lebensumstände erzählen können, ohne sich rechtfertigen müssen. Sondern einfach mal abladen konnten, was sie so bewegt.

Die klassische Lebensgeschichte ist: Mann und Frau haben sich bereits in jungen Jahren kennen und lieben gelernt, geheiratet und eine Familie gegründet. Soweit passt das alles. Sie lieben ihre Frau und ihre Kinder, würden sie auf gar keinen Fall für eine Andere eintauschen wollen. Die Frau ist zu einer Art besten Freundin und Begleiterin fürs Leben geworden. Aber es gibt zwei verschiedenen Problemlagen. Problem 1: Das Interesse der eigenen Frau an Sex ist mit den Kindern sehr weit zurück gegangen, so dass es den Männern einfach zu wenig ist.

Ich will das überhaupt nicht werten und die Schuld dabei auf gar keinen Fall den Frauen geben. Dazu habe ich zu wenig Einblick in die Lebensumstände. Ich würde schätzen, dass bei den Frauen der Löwenanteil der Familienarbeit hängen geblieben ist, was ein Knochenjob ist und sich – die zumeist beruflich ziemlich erfolgreichen Männer die ich getroffen habe – in den Job zurück gezogen haben. So sind beide einfach sehr eingespannt.

Szenario 2 das mir sehr häufig begegnet ist: Das Paar hat sich eben in sehr jungen Jahren kennengelernt. Da war für beide die Sexualität noch sehr unschuldig, sehr einfach. Im Laufe der Zeit, sagen wir nach 10 Jahren merkt ein Partner (oder vielleicht beide) dass da Vorlieben in einem Schlummern, die man ausleben möchte. BDSM, Bondage, ein Fetisch, ein Dreier, es kann alles mögliche sein. Und dann kommt der Knackpunkt. Das ist der Moment in dem sich 90 Prozent nicht trauen mit ihrem Partner darüber zu reden. Sie glauben, dass der Preis den sie dafür zahlen müssten zu hoch ist. Dass es nachhaltig negative Spuren in der Beziehung hinterlässt. Dass der Partner damit überfordert ist, es ablehnt, dann vermutet, dass der Partner sich das heimlich holt. Ist es wirklich nur Angst vorm Reden? Sie sind in dem Zwiespalt gefangen, dass sie ihre Bedürfnisse (irgendwie ja auch was egoistisches) ausleben möchten, dass aber nicht auf Kosten der Beziehung.

Das endet dann oft in einem heimlichen Ausleben. Macht die Sache nicht besser, denn das schlechte Gewissen bleibt und wenn es dann raus kommt, ist es noch viel schlimmer.

Das alles gilt nicht nur für Männer. Ich bekomme genug Mails auch von Frauen, die mir schreiben, dass sie beispielsweise gerne mal gespankt werden würden, aber glauben, dass der eigene Partner dafür überhaupt kein Verständnis hätte.

Wie kann man es schaffen, dass man nach Jahren, wenn man sich eigentlich auswendig kennt, noch offen über alles reden kann? Dass man sich eine Offenheit dem eigenen Partner gegenüber behält. Wie kann man ihm das Gefühl geben, dass er über alle Bedürfnisse reden kann und man dann gemeinsam schaut, ob es eine Lösung gibt, die beiden passt. Geht sowas? Wie kann man selbst bereit sein dafür, dass der Partner sich weiterentwickelt?

Ich habe mich in den letzten Jahren auf eine Entdeckungsreise begeben, was meine eigenen Bedürfnisse angeht. Meine Sexualität ist gereift. Ich tue mir jetzt leichter in eine Beziehung zu gehen, mit einer gewissen Offenheit meinem Partner gegenüber. Allerdings hätte ich wohl auch nicht gewußt, wie ich es meinem Exfreund nach ein paar Jahren hätte erklären sollen, dass ich gerne unsere Beziehung sexuell öffnen würde.

Hilft es wenn man den Partner fragt, ob es da noch Dinge gibt, die er gerne ausleben möchte? Wenn man ihm den Eindruck vermittelt, dass man sich für seine Bedürfnisse interessiert. Ich weiß es nicht.

Der einzige Mann, der mir einfällt, der das hinbekommen hat, ist Mr. Bondage. Aber auch nur, weil er es bei dem Druck in seinem Beruf nicht hinbekommen hätte, seine Neigungen heimlich auszuleben. Er hat sich vor gewagt und seine Beziehung hat es überstanden. Das ist aber leider der Ausnahmefall.

Was mich jedenfalls positiv überrascht hat war, dass Männer sehr offen gesagt haben, dass sie ihre Frau lieben. Und sie sich für die Richtige entschieden haben. Vielleicht sollte man genau daran denken, wenn der eigene Partner mit einem etwas kuriosen Bedürfnis aufwartet, dass er gerne noch ausleben möchte. Versuchen, sich gegenseitig die Möglichkeit zu geben sich in der eigenen Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Das Leben ist schließlich kein Stillstand. Nur weil man etwas mit Anfang 20 in einem bestimmten Blickwinkel gesehen hat, muss dieser Blickwinkel nicht immer derselbe sein. Entwickelt euch zusammen jeder für sich. Das wünsche ich mir.