Was habe ich mich beim ersten Mal noch innerlich gewunden und mit mir selbst diskutiert. Gerungen mit mir, ob ich mich ernsthaft nackt vor einen angezogenen Mann knien möchte, um ihm die Schuhe auszuziehen. Und ihn nach und nach ganz zu entkleiden und seine Klamotten aufzuräumen.
Aber nach dem Gespräch, darüber dass Mr. Bondage mich nicht aufgefangen hatte, hatte ich das Gefühl, dass er mich nahe an sich heran gelassen hat. An dem Abend hatte es keinen Sex mehr gegeben, sondern einfach nur Nähe. Ich hatte das Gefühl, dass er die Rolle abgelegt hat und einfach er selbst war.
Und ich merkte, wie sich meine Einstellung zu dem kleinen Ritual änderte. Ab da tat ich es gerne. Wir waren uns auf Augenhöhe begegnet. Ab da ging es für mich in Ordnung. Ich wußte, dass es ihm gefiel, wenn ich ihm diesen kleinen Dienst tue. Ab da war ich bereit, ihm das zu geben.
Eigentlich immer wenn wir seine Wohnung gemeinsam betreten, dann kommt das Ritual. Ich würde es nicht unaufgefordert tun, damit würde ich ihn ja auch seiner Rolle berauben, aber wenn er sich in seinen Stuhl setzt, der im Eingangsbereich steht, dann weiß ich, dass ich ins Wohnzimmer gehen muss. Stelle dort alle meine Sachen auf meinen Stuhl und ziehe mich komplett aus.
Er hat relativ feine Antennen, wie ich mich fühle. An manchen Tagen merkt er mir an, dass ich erst noch ankommen oder mich frisch machen muss, dann schickt er mich ins Bad.
Ansonsten knie ich mich rechts von ihm hin und beginne ihm die Schuhe aufzubinden. Löse den Doppelknoten, locker die Schnürsenkel und ziehe ihm seinen eleganten schwarzen Schuh aus. Erst den einen, dann den anderen. Dann stelle ich sie beide unter seinen Stuhl. Dann ziehe ich noch seine Socken aus und packe sie in die Wäsche. Er steht auf und ich öffne seinen Gürtel. Dann die Hose. Ich ziehe sie ihm aus. Er hat mir gezeigt, wie man sich richtig aufhängt, so dass sie keine Falten bekommt. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich sie jemals wirklich richtig aufgehängt habe. Ich glaube jedesmal, wenn er sie wieder aus dem Schrank holt, muss er schmunzeln. Dann komme ich zurück und knöpfe sein immer weißes Hemd auf. Manchmal knote ich vorher noch die Krawatte auf, wenn er eine getragen hat. Knopf für Knopf schäle ich ihn aus seinem Hemd. Auch das lege ich dann zur Wäsche, ebenso, wie das Unterhemd. Zu guter letzt die Unterhose. Dann ist auch er nackt und das Machtverhältnis nicht ganz so asymmetrisch. Wenn wir nicht gleich weiterspielen dann auch gänzlich ohne Machtgefälle.
Manchmal bin ich dann frech und schnappe mir seinen Schwanz und blase ihn einfach ein wenig. Das hätte der Mr. Bondage, so wie er zu Beginn war nie zugelassen. Das etwas passiert, dass nicht er bestimmt hat. Aber er hat auch gelernt, dass wenn er mich einfach machen lässt, dann hat das durchaus seinen Reiz. Auch wenn ich merke, dass es ihm nicht so leicht fällt, das Zepter aus der Hand zu geben. Es hat sich eingependelt. Er lässt mir manchmal meinen Kindskopf durchgehen, lässt mich einfach machen und manchmal ist er dominant und lässt mich nur das tun, was er gerade möchte. Eine schöne Balance.
Irgendwann hat er mal gesagt, dass ein Dom, der am Ende eh immer nur das tut, was die Frau gerade will, ja eigentlich kein Dom sei. Da würden sich die Rollen verkehren. Wohl wahr. Die Balance macht es aus. Darüber hatte ich vorher nie nachgedacht.
Ich mag unser gemeinsames Ritual, weil es eben „unser“ Ritual ist. Ich komme mir splitterfasernackt neben ihm im Anzug nicht weniger komisch vor als beim ersten Mal. Auch nackt vor ihm zu knien bleibt ein eigenartiges Gefühl. Aber ich weiß er mag es. Deswegen gebe ich ihm das gerne. Ich würde es fast schon vermissen..